Judenstern

Menschen: 1938 bis 1970

1938


"Ausschaltung" von jüdischen Mitarbeitern und "Arisierungen"

Während des "Dritten Reiches" werden Juden auch in der Versicherungsbranche zunehmend diskriminiert, ausgegrenzt und verfolgt. Laut einem Vorstandsprotokoll der Gothaer Feuer vom 14. Oktober 1938, bei dem es zunächst um eine Feuerlöschsteuer und eine Sammlung für das Winterhilfswerk geht, beschließt der Vorstand lapidar: "Die 5 jüdischen Vertreter, die die Bank noch hat, sollen sobald wie möglich ausgeschaltet werden."

Außerdem sind in den Vorstandsprotokollen verschiedene Grundstückskäufe der Gothaer Feuer belegt, zu denen erläutert wird: "Der Verkauf erfolgt aus nicht arischem Besitz." So erwarb die Bank 1938 zum Beispiel in Köln das Grundstück Kaiser-Wilhelm-Ring 34 sowie in München die Leopoldstraße 26.

1937 kauft die Gothaer Feuer in Halle das Grundstück Hindenburgstraße 40 mit einem dreistöckigen Wohnhaus: "Verkäuferin und bisherige Benutzerin der Wohnungen im 1. und 2. Stock ist die Ehefrau eines nichtarischen Arztes. Auch der zum 1.4. d. J. nach auswärts verziehende Mieter der Erdgeschoßwohnung ist ein nichtarischer Arzt." Die Gothaer plant, hier eine Bezirksdirektion einzuquartieren und die anderen Wohnungen zu vermieten.

1945


Die Entschädigung jüdischer NS-Opfer

Die Verfolgung im "Dritten Reich" bedeutet für viele jüdische Deutsche auch den Verlust ihrer Lebensversicherung. Um diskriminierende Sonderabgaben bezahlen zu können, müssen sie häufig ihre Versicherungen verlustreich zurückkaufen oder in beitragsfreie Versicherungen umwandeln. Zum 31. Dezember 1941 gelten alle Lebensversicherungen von Juden als gekündigt, und der Staat sichert sich per Gesetz den Zugriff.

Ab 1997 fordern Holocaust-Überlebende mit Sammelklagen die Entschädigung jüdischer Versicherungskunden. Die Gothaer Gesellschaften werden 2000 Mitglied der Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", die Geld für die Entschädigung von NS-Opfern bereitstellt, und zahlt rund sieben Millionen D-Mark in den Fond. Nach langen Verhandlungen einigt sich die Stiftungsinitiative 2002 mit der Internationalen Kommission zur Abwicklung von Versicherungsansprüchen von Holocaust-Opfern (ICHEIC) und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft auf ein Abkommen.

Ein Team der Gothaer recherchiert nun die Entwicklung zwischen 1933 und 1945 und bearbeitet ab 2002 die Entschädigungsanträge. Aus den noch vorhandenen Versicherungsstammbüchern der Gothaer Lebensversicherungsbank von 1920 bis 1945 werden rund 320.000 Daten aus Versicherungsverträgen elektronisch erfasst und mit den Entschädigungsanträgen abgeglichen.

Insgesamt werden 290 betroffene Policen der Gothaer Lebensversicherung mit 2,25 Millionen Euro entschädigt.

1946


Bußmann in Bonn: Viel Spaß am Kontakt mit Menschen

Die Agentur seines Vaters war für Christian Bußmann zunächst eine Möglichkeit, das Taschengeld aufzubessern. "Wir Kinder erledigten Botengänge oder verschickten Faxe aus dem Immobilienbüro im ersten Stock, bevor wir selbst ein Faxgerät hatten", erinnert er sich. Seit 2012 leitet er die Gothaer Subdirektion Bußmann in Bonn-Bad Godesberg und wird dabei heute unterstützt von Rene Raffel.

Was Christian Bußmann an seiner Arbeit gefällt? "Der Kontakt mit Menschen. Sie vertrauen uns viele Informationen an, und daraus persönliche Lösungen zu entwickeln und den Leuten weiterzuhelfen, macht großen Spaß."

Sein Großvater Rolf Bußmann gründet das Versicherungsbüro Mitte der 1940er Jahre. Seine Frau Ursula fährt mit dem Fahrrad zu den Kunden, um Beitragsrechnungen zu verteilen und die Versicherungsprämien zu kassieren – in bar, lange vor Einführung des Lastschriftverfahrens.

Generation Nr. 2 steigt 1969 mit dem gemeinsamen Sohn Roland mit ein, der nach und nach die Leitung übernimmt und den Versicherungsbestand in kurzer Zeit verdoppelt.

2001 kommt mit Christian Bußmann die dritte Generation in die Subdirektion, die vor allem im gehobenen Privatkundengeschäft tätig ist. Wichtig ist ihm eine enge Bindung zu seinen Kunden, für die er nicht nur im Schadensfall erster Ansprechpartner ist, sondern auch bei Kauf oder Verkauf von Haus oder Auto.

1970


Vom Lehrling zum General­direktor: Adam Wilhelm Klein

Sein Name ist mit der Entwicklung der Gothaer von den 1960er Jahren bis 1990 untrennbar verbunden: Professor A. Wilhelm Klein. 1938 hatte er als Lehrling bei der Gothaer angefangen, 1970 wird er Vorstandsvorsitzender und wechselt 1990 in den Aufsichtsrat.

Klein organisiert den Außendienst neu und setzt eine Verwaltungsreform um, indem er sechs Zweigniederlassungen schafft, die den Vertrieb künftig von Verwaltungsaufgaben entlasten. Gemeinsam mit Dr. Hans Samwer ist er maßgeblich am Zusammenrücken der Gothaer Versicherungsbank und der Gothaer Lebensversicherung ab 1968 in der Gothaer Versicherungsgruppe beteiligt. Er setzt sich ein für den Ausbau dieses Unternehmensverbundes, aus dem 1989 der Gothaer Konzern hervorgeht. Unter Klein baut die Gothaer ihr internationales Versicherungsgeschäft aus und er ist maßgeblich an der Gründung der Gothaer Krankenversicherung beteiligt. Er engagiert sich in Fachverbänden der Versicherungswirtschaft und gründet 1982 die A.-Wilhelm-Klein-Stiftung, die beruflichen Nachwuchs fördert. Klein verstirbt 2015 im Alter von 93 Jahren.